Behandlung
Die Behandlung von ME und CFS ist höchst komplex und bedingt ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen. Entscheidungen sollten immer gemeinsam getroffen und Nutzen sowie Risiken verschiedener Behandlungsansätze diskutiert werden.
Individuelle symptomlindernde Therapie
Mit geeigneten Medikamenten können der Schlaf verbessert, die Schmerzen gelindert, die Verdauung verbessert und weitere Symptome behandelt werden. Auch verschiedene experimentelle Behandlungen können den Gesundheitszustand der Patient*innen verbessern. Daneben gilt es behandelbare Nebenerkrankungen ausfindig zu machen und zu adressieren.
Zu beachten ist bei allen medikamentösen Behandlungen, dass Patient*innen mit ME und CFS überdurchschnittlich häufig Medikamentenunverträglichkeiten haben und zudem oft schon auf kleinere Dosierungen ansprechen. Deshalb sollten medikamentöse Behandlungen bei ME und CFS sehr vorsichtig angegangen werden und engmaschig ärztlich begleitet werden.
Die amerikanischen Gesundheitsbehörden CDC empfehlen ausserdem, bei ME und CFS regelmässig Bluttests durchzuführen, um allfällige Mängel an wichtigen Nährstoffen festzustellen und zu behandeln.
Pacing
Wie die Patientenorganisationen für ME und CFS empfehlen mittlerweile auch die amerikanischen Gesundheitsbehörden das sogenannte Pacing.
Bei der Umsetzung kann die Facebook-Gruppe «Pacing mit Pulsuhr» sehr hilfreich sein. Dabei ist auch entscheidend, dass die Patient*innen genügend Hilfe im Alltag erhalten, um Überanstrengung vermeiden zu können.
Nicht empfehlenswerte Behandlungen
Einige Studien haben die «kognitive Verhaltenstherapie» (Cognitive Behavioral Therpay, CBT) und die «graduierte Aktivierungstherapie» (Graded Exercise Therapy, GET) als wirksam für CFS bewertet. Diese Studien weisen jedoch gravierende methodische Mängel auf. Inzwischen fordern zahlreiche Wissenschaftler*innen, dass sie zurückgezogen werden. Die Auswahl der Studienteilnehmer*innen basierte auf solch vagen Kriterien, dass der grösste Teil der Teilnehmer*innen weder ME noch CFS hatte. Auch die Bewertung von Verbesserungen und die Definition von Genesung entspricht keinerlei akademischen Standards. Neben einer zweifelhaften statistischen Auswertung wurden noch viele weitere Punkte kritisiert. Am schwersten wiegt aber, dass das gesamte Studiendesign in der Mitte der Durchführung verändert wurde, um die Resultate zurechtzubiegen.
Die amerikanischen Gesundheitsbehörden folgerten deshalb in einer Publikation, dass die Evidenz dieser Studien ungenügend sei. Sie hielten fest, dass in Studien zu GET eine hohe Rate gesundheitsschädigender Wirkungen aufgetreten war. Über Gesundheitsschäden der Studienteilnehmer*innen sei ausserdem unzureichend berichtet worden.
Diese Tatsache wird durch 30 Patient*innenumfragen aus verschiedenen Ländern untermauert, laut welchen insbesondere die graduierte Aktivierungstherapie vielen Patient*innen geschadet hat. Über die Hälfte gaben an, dass ihr Zustand sich durch die Therapie verschlechterte hat. Weitere 17% konnten nicht davon profitieren. Bezüglich kognitiver Verhaltenstherapie gaben knapp zwei Drittel der Befragten an, ihre Gesundheit sei nach der Therapie schlechter oder unverändert gewesen.
Es sind auch immer wieder Empfehlungen für verschiedene Psychopharmaka und neurologische Medikamente zu finden. Auch hier ist Vorsicht geboten, da sie bei ME-Patient*innen negative Auswirkungen haben können und unter Umständen den Zustand langfristig verschlechtern.
Ergänzende Hilfsmittel & Therapien
Für Patient*innen, die psychische Nebenerkrankungen haben oder sich Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung wünschen, können verschiedene Psychotherapien sinnvoll sein. Solche Therapien können auch das Erlernen von Strategien zur Alltagsbewältigung (z.B. Entspannungstechniken) beinhalten und somit helfen auf emotionaler sowie praktischer Ebene besser mit der Krankheit leben zu können. Auch die Vernetzung und der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.
Sanfte Massagen und Lymphdrainagen können helfen, die Durchblutung und den Lymphfluss zu fördern, ohne dass die Patient*innen sich dabei überanstrengen. Sie werden jedoch nicht von allen Patient*innen mit ME oder CFS vertragen.
Hilfsmittel wie Rollstühle oder Gehhilfen können die Lebensqualität von Patient*innen mit ME ebenfalls stark erhöhen und ihren Bewegungsradius erweitern. Alle diese Massnahmen ersetzen jedoch keinesfalls eine gezielte Behandlung und können nichts an der Grunderkrankung an sich ändern. Sie dienen lediglich dazu, die Lebensqualität der Betroffenen etwas zu erhöhen.
Einzelnachweise
CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION, Clinical Care of Patients with ME/CFS, Juli 2018 (Webseite auf Englisch)
CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION, Treatment of ME/CFS, Juli 2018 (Webseite auf Englisch)
CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION, Treatment of ME/CFS, Juli 2018 (Webseite auf Englisch)
KEITH GERAGHTY ET AL., “Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome patients’ reports of symptom changes following cognitive behavioural therapy, graded exercise therapy and pacing treatments: Analysis of a primary survey compared with secondary surveys”, in: Journal of Health Psychology, August 2017. (online)
KEITH GERAGHTY ET AL., “Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome patients’ reports of symptom changes following cognitive behavioural therapy, graded exercise therapy and pacing treatments: Analysis of a primary survey compared with secondary surveys”, in: Journal of Health Psychology, August 2017. (online)